5 Gründe für E-Sport Projekte in der pädagogischen Arbeit

von Apr 26, 2021Berufsorientierung, E-Sport Wissen, Tipps für Pädagog*innen, Unterrichtsideen

1. E-Sport als Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen

Digitale Spiele sind längst ein bedeutender Teil der heutigen Jugendkultur geworden und für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen ist Gaming eine beliebte Freizeitbeschäftigung – unabhängig von Geschlecht, sozialer und kultureller Herkunft. Rund um diese Faszination für digitales Spiel(en) ist eine „Gaming-Kultur“ entstanden. Hierbei spielt allerdings nicht nur der reine Konsum von digitalen Spielen eine Rolle. Vielmehr geht es um aktive Partizipation in einer vom digitalen Spiel geprägten Medienlandschaft. Kinder und Jugendliche tauschen sich (online und offline) über ihre Lieblingsspiele und Trends aus, sehen sich „Let’s Play Videos“ oder live Gaming-Streams auf Twitch oder YouTube an und beteiligen sich mittels Kommentar-Funktion auf den Plattformen, erstellen und teilen selbst Gameplay-bezogenen Content oder folgen ihren Lieblingsgamer*innen auf diversen Social Media Kanälen.

Von stetig wachsender Bedeutung in der Gaming-Kultur ist auch der E-Sport. Im E-Sport werden digitale Spiele als Wettkampf ausgetragen. Genauso wie das Fußballspiel oder das Schachspiel als Wettkampf ausgelegt werden kann, ist dies auch mit zahlreichen digitalen Spielen möglich. Dabei treten die Spieler*innen als so genannte E-Sportler*innen alleine oder in Teams gegeneinander an. Für den Erfolg sind zahlreiche Kompetenzen und Fertigkeiten gefordert – auf geistiger, körperlicher und persönlicher Ebene. 

Besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist E-Sport populär. Laut einer Marktanalyse im Auftrag von A1 haben rund 50 % der unter 25-jährigen Interesse an E-Sports und jede/r siebte Österreicher*in konsumiert regelmäßig E-Sport bezogenen Content. Der weltweite Umsatz im E-Sport Sektor belief sich im Jahr 2019 auf 958 Millionen US-Dollar (23 % mehr als im Vorjahr) und selbst wenn Corona-bedingt viele wichtige Events nur im virtuellen Raum stattfinden konnten, bleibt die Branche auch noch im Jahr 2021 stark. Die Preisgelder bei großen E-Sport Turnieren liegen oft im siebenstelligen Bereich. Und auch in Österreich befindet sich der E-Sport Sektor auf Erfolgskurs mit etwa 50.000 registrierten E-Sportler*innen (nach Angaben des österreichischen E-Sport Verbandes, ESVÖ), einer aktiven E-Sport-Community, einigen neuen Teams und Kooperationen mit der Wirtschaft.

Höchste Zeit also, diese Entwicklungen im Bildungssektor zu beachten, Potenziale aufzugreifen und sich dabei auch einhergehenden Herausforderungen zu stellen.

2. Berufswunsch: E-Sportler*in

Die Begeisterung für E-Sport und Gaming führt dazu, dass Kinder und Jugendliche immer häufiger eine aktive Rolle in der Gaming-Szene für sich als Berufsbild in Erwägung ziehen – sei es etwa als E-Sportler*in, Caster*in oder Streamer*in. Wie bei vielen Berufsbildern, sind diese oft mit unrealistischen Vorstellungen verbunden und oftmals herrscht kein Bewusstsein über die Vielfalt der möglichen Berufswege – auch abseits des Rampenlichts. Dennoch finden „Gaming-Berufe“ bisher in der schulischen Berufsorientierung kaum einen Platz.

In diesem Zusammenhang gibt es Bedarf an Aufklärungsarbeit: einerseits auf Ebene der Schüler*innen, andererseits gilt es auch bei Pädagog*innen das notwendige Wissen aufzubauen, um die Berufswelt rund um Gaming und E-Sport in der Schule thematisieren zu können. 

E-Sport bezogene Projekte wie die Umsetzung einer E-Sport Schulliga, aber auch kleinere Events (wie z.B. das “League of Girls” Schulevent) schaffen dafür einen guten Rahmen. 

Ich habe einen sehr guten Draht zu den Schülern und vor allem auch den Schülerinnen aufbauen können. Im Rahmen der Liga, aber auch nach meinem Fachvortrag zum Thema habe ich gemerkt, dass vielen jetzt erst richtig bewusst wurde, was es bedeutet im E-Sport aktiv zu sein.


Yvonne Scheer, Genderbeauftragte des ESVÖ, über ihr Engagement im Rahmen der E-Sport Schulliga Deutschlandsberg

3. Kompetenzförderung mit E-Sport

E-Sport Projekte in der Schule knüpfen direkt an der Lebenswelt von Kinder und Jugendlichen an und gehen wertschätzend mit den zahlreichen Talenten und Fertigkeiten um, die sie im Rahmen der aktiven Partizipation in der Gaming-Kultur aufbauen. Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsvermögen, Hand-Augen-Koordination, Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen und eine gute Portion Team- und Kommunikationsfähigkeit – diese und weitere Fertigkeiten sind gefragt, um erfolgreich in einem E-Sport Team zu spielen. Im Rahmen von E-Sport Events, die die Schüler*innen (zumindest für einen begrenzten Zeitraum) in die Rolle von E-Sportler*innen versetzen, können eben diese Fertigkeiten aufgegriffen, thematisiert und gezielt gefördert werden. Und auch für Schüler*innen, die sich nicht aktiv in einem E-Sport Team beteiligen möchten, können Aufgaben geschaffen werden, die an der realen E-Sport Welt angelehnt sind – vom Managen der Teams, über den technischen Support bis hin zu Marketing-Aktivitäten wie der Gestaltung eines Logos.

4. Förderung der Gender Diversität in der Gaming-Kultur

Während das Geschlechterverhältnis unter den Computerspieler*innen in Österreich ausgewogen ist und Mädchen ein ähnlich großes Interesse an Computerspielen aufweisen, zeigt sich in der Gaming-Kultur ein ganz anderes Bild. Bedingt durch geschlechtsspezifische Sozialisation, stereotype Rollenbilder, Vorurteile, fehlenden Rollenvorbildern und Einstiegshürden, ist die Gaming-Kultur stark männlich dominiert und es gibt wesentlich weniger Frauen und Mädchen, die sich als „Gamer“ identifizieren als Buben und Männer. In der professionellen Szene wird dies besonders deutlich. So sind etwa nur unter 5 % der Personen, die aktiv an E-Sport Turnieren teilnehmen Frauen. Und auch im Streaming und Let’s Play Bereich sind Frauen stark unterrepräsentiert. Bei E-Sport Projekten in der Schule ist es daher besonders wichtig Mädchen aktiv mit an Bord zu holen, um Ausgrenzungsmechanismen und Stereotypen entgegenzuwirken – etwa mit einer Mädchenquote wie im Fall der E-Sport Schulliga Floridsdorf+. Werden Herausforderungen rund um Gender-Aspekte in der Gaming-Kultur frühzeitig in der Schule thematisiert, können wichtige Grundsteine zur langfristigen Förderungen von Mädchen und Frauen sowie der Steigerung der Gender Diversität der Gaming-Kultur gesetzt werden. Gaming-bezogene Schulprojekte bieten einen Raum, problematische und herausfordernde Aspekte der Gaming-Kultur mit Kindern und Jugendlichen zu besprechen und auf aktuelle Themen einzugehen (Sozialer Umgang in Online-Gaming Communities, Hatespeech, Sexismus, altersgerechte Spielinhalte etc.).

5. Soziale Inklusion und Stärkung des Zusammenhalts in der Schule

Anknüpfend an die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen können E-Sport Projekte in der Schule Eisbrecher sein, die Basis für Gespräche bilden oder den Rahmen für neue Begegnungen schaffen. Mit einer entsprechenden Vielfalt in der Auswahl der Spiele, können Schüler*innen bei unterschiedlichen Interessen abgeholt werden und vielleicht auch jene aktiviert und motiviert werden, die sonst vielleicht eher passiv dem Unterricht beiwohnen. Klassen- oder schulübergreifende Projekte bieten hier zusätzliche Chancen:

E-Sport verbindet. Das war eines der schönsten Fazits, die wir aus unserer E-Sport Schulliga Floridsdorf ziehen konnten. Es haben sich neue Freundschaften gebildet und Vorurteile wurden abgebaut.


Michael Fleischhacker über die “E-Sport Schulliga Floridsdorf 2019”

Großes Potenzial bieten E-Sport Projekte auch in der Einbindung von Schüler*innen mit einer Behinderung. Durch eine barrierefreie Spielumgebung und ggf. entsprechende unterstützende Infrastruktur ist es auch mit einer Behinderung möglich bei einem E-Sport Turnier teilzunehmen.

Und nicht zuletzt kann ein E-Sport Projekt sich auch positiv auf die Wahrnehmung der Schule als Institution seitens der Schüler*innen auswirken. Wer geht nicht gern in eine Schule, die wertschätzend mit den Interessen und informell erlernten Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen umgeht und ihre Lebenswelt ein Stück weit in die Schule holt?

Die Möglichkeiten, E-Sport in den Schulalltag zu bringen und so auch die eben genannten Potenziale und Herausforderungen aufzugreifen sind vielfältig. So kann das Thema E-Sport etwa im Rahmen eines Fachvortrags beleuchtet oder in fächerübergreifenden Projekten erarbeitet werden, ein Schulevent zum Thema organisiert oder gar eine ganze E-Sport Schulliga aufgebaut werden. Impulse und Anleitungen rund um E-Sport bezogene Projekte in der Schule sammeln wir hier am Blog von esport-schulliga.at.


Quellen und weiterführende Links